Mit Unterstützung von Kerstin Marohn-Ranft, Altenhilfekoordinatorin der Stadt Marl, und Deniz Tekmen, Integrationsbeauftragter der Stadt Marl, organisierte unsere Referentin Alisa Butscher am Nachmittag des 20. November 2023 ein Erzählcafé. Dank der Hilfe von Iris Zahlmann-Groth, zuständig für die Seniorenarbeit der Evangelischen Stadt-Kirchengemeinde Marl, konnte die Veranstaltung im Gemeindehaus der evangelischen Dreifaltigkeitskirche stattfinden.
Ein Teilnehmer aus Syrien berichtete von seinem Ankommen in Marl, von seinen vielen unterschiedlichen Jobs in Deutschland, da ihm sein Abschluss als Arabisch-Lehrer nicht weiterhelfe, und seinem aktuellen Praktikum bei der Stadt Marl. Er ist verheiratet, besitzt seit zwei Jahren neben der syrischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft und ist in Deutschland gut angekommen. Ein Teil seiner Familie lebt nach wie vor in Syrien, wo es noch immer unsicher ist und eine humanitäre Krise existiert. Durch das Gespräch mit den Seniorinnen und Senioren kam er außerdem auf seinen Bruder zu sprechen, welcher seit sechs Monaten, getrennt von seiner Frau und seinen Kindern, in Bulgarien ist. Er berichtete eindrücklich und emotional von menschenverachtenden und gewalttätigen Bedingungen für Geflüchtete in Bulgarien und der Türkei, aber auch von den Menschen in Syrien. Eine Teilnehmerin kam ursprünglich aus dem Kongo, hat mit ihrer Familie aber in Camps in Burundi und Kenia gelebt. Dort habe sie mithilfe „der Amerikaner“ einen Schulabschluss gemacht. Seit den frühen 1990er Jahren nahm die Zahl der Geflüchteten in Kenia aufgrund von Bürgerkriegen in angrenzenden Ländern stark zu. Seitdem ist der UNHCR für die Arbeit mit Geflüchteten in Kenia tätig. Dadurch konnte die Teilnehmerin mit Anfang 20 vor zwei Jahren durch das Resettlement-Programm nach Deutschland einreisen. Sie hat einen Integrationskurs begonnen und ist vor fünf Monaten Mutter eines Sohnes geworden. Leider hat ihre Familie den Kontakt zu ihr abgebrochen, da es sich um ein uneheliches Kind handelt. Mit der Hilfe einer der engagierten Ehrenamtlichen Britta konnte sie eine eigene Wohnung beziehen.
Auch die Familie einer Teilnehmerin hat Unterstützung von Britta erhalten, beispielsweise bei der Wohnungssuche. Durch eine Bombe verlor der Vater der 22-jährigen sein Augenlicht und seinen Arm. Die notwendigen Behandlungen konnte sich die Familie in ihrem Heimatland Albanien nicht leisten, weswegen sie 2015 nach Deutschland kamen. Bevor sie in Marl landeten waren sie in Hannover, Köln und Mönchengladbach. Der Vater kam für längere Zeit ins Krankenhaus, die Mutter war viel bei ihm, weswegen die Teilnehmerin mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester und ihrem sieben Jahre jüngeren Bruder oft allein in der Gemeinschaftsunterkunft war, in der sie damals lebten. Sie beschrieb, dass sie immer Angst hatten, ihre Eltern würden nicht wiederkommen. Durch eine Freundin kam sie zum Boxsport, was ihr Vater anfangs nicht gut fand. Schließlich waren nur Männer im Boxclub. Heute sei er stolz auf sie, sie ist stark, kann sich verteidigen, ist motiviert und fleißig. Das beweise sie auch, indem sie jede Nacht um 3 Uhr 11 km mit dem Fahrrad nach Recklinghausen fahre, wo sie eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin macht. Ihr großer Wunsch: einmal nach Dubai. Das habe sie sich fest vorgenommen – sobald die Ausbildung abgeschlossen ist.
Auch für eine andere Teilnehmerin war Brittas Hilfe unerlässlich. Sie kam vor sechs Jahren mit ihrem Sohn, der heute 22 ist und eine Ausbildung macht, aus Aserbaidschan nach Deutschland. Im Jahr 2020 bekam sie eine schlechte Nachricht: Sie sollten abgeschoben werden. Britta half einen Härtefallantrag zu stellen. Gemeinsam sammelten sie einen dicken Stapel an Nachweisen über das Leben der Teilnehmerin und ihr vielfältiges (ehrenamtliches) Engagement in und um Marl. Monate später kam ein positiver Bescheid, „aber kein Corona“, scherzte sie. Zwei Tage habe sie nur geweint – vor Freude. Es waren vielfältige Lebensgeschichten, die an dem Nachmittag im Gemeindehaus offen und ehrlich erzählt wurden. Deutlich wurde, dass nicht nur das Engagement der hier Ankommenden wichtig ist, sondern auch unterstützende Hände wie die von Britta. Denn für eine gelingende Integration und ein friedliches Zusammenleben sind alle gefragt!