Am 13. Juli 2023 hatten wir mit Unterstützung von Sabine Massel vom Familien- und Begegnungszentrum „Gute Stube“ in Gersfeld zu einer Begegnungsveranstaltung zwischen Menschen mit und ohne Fluchtgeschichte eingeladen. Die „Gute Stube“ befindet sich auf dem Gersfelder Marktplatz, einer Kleinstadt in der Rhön. Dort werden von der VHS Digital- und Sprachkurse angeboten, Selbsthilfegruppen finden hier Räumlichkeiten, es gibt Beratungsangebote und wechselnde Abendveranstaltung, wie Vorträge über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder die erwähnte Begegnungsveranstaltung.
An diesem Donnerstagabend hatten sich vier Menschen aus Afghanistan und vier aus Deutschland in der „Guten Stube“ eingefunden. Eine Gemeinsamkeit wurde direkt am Anfang festgestellt: gebürtig kam hier keiner aus Gersfeld. Sie erzählten, wie es sie nach Gersfeld oder benachbarte Ortschaften verschlagen hat. Eine Teilnehmerin kam durch das Studium von Köln nach Fulda, nach einem vierjährigen Zwischenhalt in Bayern mit der Familie ist sie wieder in die Rhön gekommen, zwei weitere Teilnehmerinnen – Mutter und Tochter – mussten wegen Eigenbedarf aus ihrer Wohnung ausziehen und so haben sie vor eineinhalb Jahren in Gersfeld eine neue Wohnung bekommen. Eine afghanische Frau kam mit ihrer Familie vor acht Jahren nach Deutschland und war erst vor wenigen Monaten aus einem Nachbarort nach Gersfeld gezogen. Ihre drei Kinder spielten während der Veranstaltung auf dem Spielplatz im Garten der „Guten Stube“. Bei den drei weiteren afghanischen Personen handelte es sich ebenfalls um eine Familie – Vater, Mutter und Tochter. Die Familie kam über die Türkei und Griechenland vor zweieinhalb Jahren nach Deutschland und lebt seit zwei Jahren in Weyhers, einem Nachbarort von Gersfeld.
Schnell kam die Gesprächsrunde auf das Thema Wohnraum, da die Familie in Weyhers seit acht Monaten auf Wohnungssuche ist. Auch die andere afghanische Familie hat über ein Jahr gesucht und auch Mutter und Tochter, die seit Kurzem in Gersfeld wohnen, suchen – bisher erfolglos – etwas wirkliche Passendes. Wohnungsnot ist nicht nur in deutschen Großstädten ein allgegenwertiges Thema, sondern auch im ländlichen Raum ist bezahlbarer Wohnraum mittlerweile rar. Der afghanische Vater erzählte, er habe so vieles in Deutschland geschafft: das lateinische Alphabet und die deutsche Sprache gelernt, er hat beim ersten Versuch die theoretische und praktische Führerscheinprüfung geschafft (trotz sprachlicher Herausforderungen!), aber die Wohnungssuche sei sehr schwierig. Auch seine Frau betonte den herausfordernden Weg: in Afghanistan war sie Lehrerin, hier müssen sie und ihr Mann bei Null anfangen: Sprachkurse besuchen und wenn sie das B2-Niveau erreicht haben, eine Ausbildung machen, damit sie arbeiten dürfen. Sie möchte gerne als Sozialassistentin oder Erzieherin tätig sein. Schließlich erzählte der Familienvater aus Weyhers, dass sie dort im Gemeinschaftsgarten tätig sind, die Pflanzen gießen, ernten und gemeinsam mit den anderen Mitgliedern das Gemüse zubereiten und essen. Die afghanische Frau aus Gersfeld war sehr interessiert daran und so schlug Frau Massel vor, ihr bald den Gemeinschaftsgarten vor Ort zu zeigen. Auch Mutter und Tochter, die aufgrund von Eigentumsbedarf nach Gersfeld gekommen sind, sind dort aktiv und so wurde zum Ende hin über spezielles Gemüse aus Afghanistan, das Gärtnern im Allgemeinen und das Pfropfen (eine Art der Pflanzenveredelung) gesprochen und eine gemeinsame Leidenschaft aller Teilnehmenden gefunden. Auch die zukünftigen Gartenbesuche zwischen Weyhers und Gersfeld wurden bereits angekündigt.